Praxisfelder des bürgerschaftlichen Engagements VII
Selbstorganisation in der Großorganisation. Wie ältere GewerkschafterInnen initiativ werden
Großorganisationen tun sich naturgemäß schwer mit der Selbstorganisation – Gewerkschaften machen hier keine Ausnahme. Von den Zentralstellen verordnete sog. klassische Themen – etwa Tarifpolitik und arbeitsrechtliche Fragen – prägen die gewerkschaftliche Bildungsarbeit, die dazu noch nicht eben selten Lehrgangscharakter aufweist.
In vielen gewerkschaftlichen Landesund Kreisorganisationen läuft außerdem die SeniorInnenarbeit nur am Rande mit. Aus dem Berufsleben ausgeschiedene, ältere Gewerkschaftsmitglieder werden bei Demonstrationen und Streiks zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen gerne gesehen, sie beklagen jedoch häufig genug, dass zu wenig für ihre originären Interessen getan werde, dass also seniorenspezifische Themen nicht in ausreichender Form vorkämen. So werde das vorhandene Potenzial der Älteren, die immerhin fast ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder ausmachten, weder richtig anerkannt noch ausreichend genutzt.
Das vorliegende Modul nimmt diese Klagen ernst. Es ist angeregt worden durch die Initiative einer Gruppe älterer IGMetall- Mitglieder aus den Kreisen Erfurt, Apolda, Weimar und Arnstadt, die aktiv werden und ihre Sache selbst in die Hand nehmen wollen. Sie beabsichtigen, sich in neue Engagementfelder einzubringen und eigene Ideen und Projekte umzusetzen. Ein Auftakt-Workshop bietet die Möglichkeit, Interessen und Bedürfnisse herauszufinden und so die Inhalte für die künftige Arbeit zu bestimmen.
Inhaltliche Schwerpunkte
Ziel der Älteren ist es zunächst, sich als Gruppe zu konstituieren und kontinuierlich an Themen zu arbeiten, die die Teilnehmenden aktuell interessieren und die sich dazu eignen, in Selbstorganisation weiterverfolgt zu werden.Nach Identifizierung der Themen wird der jeweilige Weiterbildungsbedarf ermittelt, der zur inhaltlichen Einführung und gemeinsamen Bearbeitung notwendig ist. In dieser Einstiegsphase geht es überdies darum, die folgenden Fragen zu klären, die für die Gründung und den Erhalt einer selbstorganisierten Gruppe wesentlich sind:
- Welche Struktur soll die Gruppe haben, arbeitet sie z.B. mit einer Leitung oder soll hierarchiefrei gearbeitet werden.
- Wie erfolgt die Aufgabenverteilung?
- Wie werden Konflikte bewältigt?
- Wie findet die Gruppe ihre Themen?
- Wie kann die Gruppe professioneller zu bestimmten Themen arbeiten?
- Wie entwickelt die Gruppe ein eigenständiges Profil und ist gleichzeitig als gewerkschaftliche Gruppe der IG-Metall erkennbar.
- Wie kann sie neueMitglieder gewinnen und aktive Mitglieder motivieren und halten?
- Wie können finanzielle Mittel für die Arbeit bereitgestellt werden?
Neben den Fragen zur Konstituierung der Gruppe kristallisiert sich zusätzlicher Qualifizierungsbedarf heraus. Dieser bezieht sich auf:
- Methodenkompetenz
- Soziale und kommunikative Kompetenz
- Veranstaltungsmanagement
Didaktischer Kommentar
Zu Beginn der Weiterbildung ist es für die Teilnehmenden ungewohnt gewesen, sich die Themen eigenständig und mit neuen Methoden zu erarbeiten. Bisher hatten sie erlebt, dass ein Dozent zu einem bestimmten Thema referierte und sie anschließend ihre Meinung dazu äußern. Eigene Erfahrungen und Interessen – in Form von Kartenabfragen undMetaplanpräsentationen – bei der Themenerarbeitung einzubringen, ist für die meisten von ihnen neu. Auch kreative Einstiege und spielerische Arbeitsformen – beispielsweise Rollenspiele, Auflockerungsübungen, Muntermacher, Motivations- und Interaktionsspiele – sind z.T. nicht bekannt und nicht eingeübt.
Im Laufe des Projektes lernen die Älteren diese Form der Arbeit aber schätzen und erkennen darin eine gute Gelegenheit, selbstbestimmt zu lernen und eigene, passgenaue Themenzugänge zu finden. Auf dieseWeise werden auch Impulse gegeben, die für die Gruppenkonstituierung und den Gruppenprozess hilfreich sind. Trotzdem ist es für die SeniorInnen weiterhin unerlässlich, bekannte Formen der Bildungsarbeit (z.B. Impulsreferate von Dozenten) zu nutzen.
Reflektierte Erfahrungen
Insgesamt finden drei Seminare mit einer Dauer von jeweils drei Tagen statt. Dort entsteht die Idee, sich mit anderen Gleichgesinnten (Einzelnen oder Gruppen) zu aktuellen Themen auszutauschen und dazu zwei Informations-Veranstaltungen zu organisieren. Die erste dieser Veranstaltungen geht der Frage nach der „Lage der SeniorInnen innerhalb der IGM“ nach, eine weitere beschäftigt sich mit der Problematik der neuen Rentengesetzgebung. Für beide Veranstaltungen müssen im Vorfeld organisatorische und inhaltliche Vorbereitungsarbeiten erfolgen. Außerdem recherchieren die Mitglieder der Gruppe im Internet und in aktuellen Publikationen zu den Themen und bringen ihr Wissen und ihre Einschätzungen anschließend in Form von Impuls-Referaten in die Veranstaltungen ein. Sie entwickeln auf diese Weise Fachkompetenz und geben gleichzeitig ihr Wissen an andere weiter.
Eine weitere Idee ist es, auch überörtlichen Kontakt und Austausch zu suchen. So findet beispielsweise ein Treffen mit ehemaligen Betriebs- und Personalräten aus Berlin statt, die heute im Engagementfeld Schule tätig sind. Dieses Treffen hat nachhaltige Folgen. Gerade die Schule ist ein Thema, das unsere Gruppe fasziniert. Man gründete einen eigenen Arbeitskreis, der bald schon zu praktischen Ergebnissen kommt und das Thema Arbeitswelt in Erfurter Schulen bringt.
Zusätzlich entwickelt sich ein Kreis, der das Thema: „Öffentliche Wahrnehmung der Gewerkschaften“ auf seine Fahnen schreibt und entsprechende Aktivitäten umsetzt. Dessen Mitglieder schreiben Leserbriefe und veröffentlichen eigene Artikel über ihre Seniorenarbeit in den Gewerkschaftszeitungen. Perspektivisch planen sie, eine eigene Zeitung herauszubringen, die sich speziell an die Zielgruppe gewerkschaftlich interessierter SeniorInnen in Erfurt und Umgebung richtet.
Engagementfeld Selbstorganisation
- Schiff
- Basar
- Märchen
- Bauernhof
- Raumschiff
- Zirkus
- Landschaft
Materialien und methodische Beispiele
Gruppenaufbau
Titel: Gruppenbild
Ziel: Dynamik und Sichtweise der Gruppe sichtbar machen
Methode: Metapher
Dauer: 1,5 bis 2 Stunden
Beschreibung:
- Die Gruppe wählt gemeinsam eine Metapher aus:
Anschließend wird die Metapher auf die Gruppensituation übertragen: Jede TeilnehmerIn zeichnet, mal oder skizziert das Bild auf Flip-Chart- Papier und gibt jedem Gruppenmitglied eine Rolle bzw. einen Platz darin. Ca 20-30 min. - Anschließend erfolgt die Präsentation im Plenum
- Die Präsentationen werden nicht kommentiert, sondern bleiben im Raum hängen um später darauf zurückzukommen
- Ort:
Hat die Gruppe einen eigenen Raum? Sind sie dort ungestört? Gibt es genug Platz? Ist er gemütlich oder neutral? Gibt es Veränderungswünsche? - Zeit:
Ist der Termin für das Treffen günstig? Können alle rechtzeitig hier sein? Stimmt die Dauer der Treffen (zu kurz, zu lang). Stimmen die Zeitabstände? (zu oft, zu selten) - Ziele:
Welche Ziele hat die Gruppe? - Rollen:
Ist klar, wer leitet, wer protokolliert,wer welche Aufgaben übernimmt? - Anfang:
Ist der Anfang deutlich oder plätschern alle ins Thema? Gibt es eine Begrüßung. - Ende:
Wird das Ende kurz vorher bewusst gemacht? Gibt es eine Zusammenfassung und/oder Verabschiedung?
Engagementfeld Selbstorganisation
Checkliste
Bestandsaufnahme der Gruppenstruktur:
Materialien und methodische Beispiele
Gruppenaufbau
Titel: Bestandsaufnahme der Gruppenstruktur
Ziel: Mit der Checkliste Gruppenstruktur sichtbar undmögliche Veränderungswünsche deutlich machen
Methode: Arbeit in Kleingruppen, anschließend Präsentation im Plenum
Dauer: 2 bis 3 Stunden
Beschreibung
- Es werden vier Arbeitsgruppen gebildet.
- Ort und Zeit
- Ziele
- Rollen
- Anfang und Ende
- Alle Arbeitsgruppen haben 20 bis 30 Minuten Zeit, eine Bestandsaufnahme zu den vier Punkten zu machen und diese für die Präsentation im Plenum vorzubereiten
- Anschließend erfolgt die Präsentation im Plenum
- Im nächsten Schritt wird abgefragt, ob alle mit der bestehenden Struktur einverstanden sind. Wenn nicht: Welche konkreten Veränderungswünsche gibt es und wie werden diese künftig umgesetzt werden können?
Engagementfeld Selbstorganisation
Leitfragen:
Die Gruppenkultur sichtbar machen
- Methoden:
Werden kreative Methoden bewusst eingesetzt? Wird über die Methoden gesprochen? - Leitung:
Gibt es eine/n GruppenleiterIn? Wenn ja, wird die Leitung als solche respektiert? Tut sie es selbst? Wenn nein, wie wird der Gruppenprozess organisiert? - Störungen – Konflikte:
Werden Konflikte und Störungen erkannt und gezielt bearbeitet? - Wertschätzung:
Werden Leistungen und Erfolge wahrgenommen?
Wie zeigt sich das?
Entwicklungsperspektiven für die Gruppe:
Wir wollen
weg von __________________ hin zu _________________
Materialien und methodische Beispiele
Gruppenaufbau
Titel: Elemente der Gruppenkultur und ihre Entwicklungsperspektiven
Ziel: Mit Hilfe der Leitfragen werden die Elemente der Gruppenkultur verdeutlicht und Veränderungsperspektiven erarbeitet
Methode: Plenum, Punktvergabe, Kleingruppen
Dauer: Pro Leitfrage ca. 2 Stunden
Beschreibung
- Zunächst erhält jedes Gruppenmitglied einen Punkt und kennzeichnet damit eine der vier Leitfragen, die seiner/ihrer Meinung nach Priorität hat. So wird die Bearbeitungsreihenfolge für die nächsten vier Treffen festgelegt.
- Anschließend wird die Frage in den Kleingruppen erörtert und Entwicklungsvorschläge erarbeitet.
- Die Ergebnisse werden dokumentiert und im Plenum präsentiert
- Die TeilnehmerInnen erhalten wieder Abstimmungs-Punkte – je nach Anzahl der Vorschläge zwischen drei und maximal sieben Punkten. Sie können die Punkte auch mehrfach zu einer Entwicklungs- Perspektive kleben
- Entsprechend der Punkteverteilung werden die Perspektiven als gemeinsame Gruppenziele und – Perspektiven übernommen
Engagementfeld Selbstorganisation
Materialien und methodische Beispiele
SeniorInnenarbeit in den Gewerkschaften
Titel: Kritische Bestandsaufnahme und möglicheVeränderungspotentiale
Ziel: Chancen und Grenzen für seniorenspezifische Aktivitäten in Gewerkschaften erkennen und möglicherweise überwinden
Methode: Kleingruppen, Plenum
Dauer: 2 Stunden
Beschreibung:
- Es werden vier Arbeitsgruppen gebildet, die zu folgenden Fragen arbeiten:
- Welche Erwartungen habe ich, wenn ich in der Gewerkschaft arbeite?
- Mit welchen Hindernissen muss ich rechnen?
- Welches Veränderungspotential gibt es für die Arbeit innerhalb der Gewerkschaften?
- Welche Aktivitätsmöglichkeiten gibt es für GewerkschafterInnen außerhalb der Gewerkschaften?
- Die Arbeitsergebnisse werden dokumentiert, im Plenum präsentiert und mit einem zuständigen, hauptamtlichen MitarbeiterIn kommuniziert
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