Praxisfelder des bürgerschaftlichen Engagements I

Nicht für die Schule – für das Leben lernen. Wie ehemalige Betriebs- und Personalräte Schule machen

In Berlin-Brandenburg möchten ehemalige Betriebs- und Personalräte ihre Berufserfahrungen gerne an jüngere Menschen weitergeben. ZurUnterstützung der KollegInnen in den Betrieben haben sie im Laufe ihrer aktiven Berufstätigkeit Kompetenzen erworben, die sowohl juristisches Know-how, praktische Erfahrungen mit arbeitsrechtlichen Fragen und Konfliktbzw. Problemlösungsstrategien umfassen.

Einige der ehemaligen Betriebs- und Personalräte sind noch immer als DozentInnen in der Gremien-Schulung tätig oder vermitteln in Beratungsgesprächen zwischen ArbeitnehmerInnen- Vertretungen und Unternehmensleitungen. Gleichzeitig interessieren sie sich für die Lebenssituation jüngerer Menschen. Sie sind entweder familiär mit der Lebenssituation von Jugendlichen konfrontiert oder sie haben einfach das Gefühl, als „Großeltern-Generation“ einen guten Zugang zur Enkelgeneration zu haben und so möglicherweise unterstützend zu wirken.

Daraus entwickelte sich die Idee, Kontakt mit LehrerInnen in Schulen aufzunehmen, die sich thematisch mit der – meist kritischen – Übergangsphase von Schule und Beruf beschäftigen. Wissen und Erfahrungen aus der beruflichen Praxis weiterzugeben, gleichzeitig neues Wissen im schulischen Alltag zu erwerben und im zunächst unbekannten Engagementfeld zu wirken: Das ist die Mischung, die in Berlin-Brandenburg Schule macht.

Inhaltliche Schwerpunkte

Ziel für die Arbeit im Engagementfeld Schule ist die Vermittlung von demokratischen Strukturen im Betrieb. Zunächst klären die SeniorInnen in einer Stärken und Schwächen-Analyse, was sie dazu einbringen können:

Stärken

  • Fachwissen zu arbeitsrechtlichen Fragen
  • Erfahrungen im Umgang mit Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen
  • Wissen und Erfahrungen aus dem gewerkschaftlichen und politischen Engagement zu gesellschaftlich relevanten Fragen
  • Leitung von Gremien in beruflichen Zusammenhängen
  • Erfahrungen in der Weiterbildung von Erwachsenen.
  • Arbeits- und Lebenserfahrung aus durchschnittlich 60 Jahren.

Schwächen/Schwierigkeiten

  • Keine pädagogische Ausbildung
  • Fehlende Kenntnisse zu den aktuellsten
  • arbeitsrechtlichen Bestimmungen
  • Keine Kontakte zu Schulen und LehrerInnen in Berlin-Brandenburg
  • Keine Erfahrungen aus der (ehrenamtlichen) Arbeit mit Jugendlichen.

Didaktischer Kommentar

In der Vorbereitungsphase geht es zunächst darum, mögliche Mängel und fehlendes Wissen durch Weiterqualifikation zu ergänzen und anschließend entsprechende Konzepte und Unterrichtsentwürfe für die praktische Umsetzung zu erarbeiten. Selbstorganisiertes Lernen ist wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung, denn die SeniorInnen müssen für sich und die Gruppe eine geeignete Struktur finden, um ihr Ziel in die Tat umzusetzen. Neben dem Fortbildungsbedarf ist zu klären, welche Aufgaben anstehen und wer sie übernimmt. Konkret bedeutet das; es muss sich jemand um die Auswahl geeigneter Schulen kümmern und dort Idee und Konzept der Gruppe präsentieren. Er oder sie soll als AnsprechpartnerIn für Schulleitung und LehrerInnen zur Verfügung stehen, mögliche Einsätze vermitteln und zeitlich koordinieren.

In unserem Beispiel ist es ein Kollege mit langjähriger Erfahrung als freigestellter Betriebsratsvorsitzender und Referent für Weiterbildung von Betriebs- und Personalräten. Er hat ein entsprechendes gewerkschaftliches Selbstverständnis und natürlich – nicht zu vergessen – ein Enkelkind im Jugendalter.

Zur Vorbereitung der praktischen Arbeit im Engagementfeld Schule gehört auch die Kooperation mit den LehrerInnen. Für einen guten Unterrichtsablauf ist es wichtig zu klären, wie der derzeitige Stand des Unterrichts ist, was den SchülerInnen konkret vermittelt werden soll, und welche der nachfolgend aufgeführten Themen für den Unterrichtsbesuch geeignet sind:

  • Die Würde des Menschen auf der Arbeit/Mobbing
  • Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen
  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  • Das Weisungsrecht des Arbeitgebers
  • Welche Arbeitsbedingungen gelten für mich
  • Aufbau der Gerichtsbarkeit in Deutschland

Neben der Durchführung des Unterrichts und der Erprobung der vorbereiteten Konzepte spielt auch die Auswertung der Unterrichtseinheiten eine wichtige Rolle. Diese Reflexionsphase dient dazu herauszufinden, ob die SeniorInnen ihre Ideen und Konzepte wie geplant umsetzen können, wie flexibel sie auf Fragen der Jugendlichen reagieren können und wie sie sich selbst und die Jugendlichen im schulischen Alltag wahrnehmen. Mögliche Mängel oder Wissenslücken werden durch zusätzliche Qualifikationen ausgeglichen. Auf diese Weise ermitteln sie ihren eigenen Weiterbildungsbedarf und organisieren die passenden Fortbildungen. Dementsprechend verlaufen die praktische Arbeit an den Schulen und die eigeneWeiterbildung fast parallel. Bereits nach den beiden ersten Qualifizierungen zum Thema, pädagogischer Aufbau des Unterrichts und Erstellung einer Unterrichtseinheit zum Thema „Demokratie in Betrieb und Unternehmen“ hatten die ehemaligen Betriebs- und Personalräte den Wunsch, das Erlernte so schnell wie möglich auszuprobieren. So machten sie die ersten praktischen Erfahrungen an einer Berliner Gesamtschule mit drei zehnten Klassen.

Die schulische Praxis verdeutlicht, was als Gelungenes weiter genutzt werden kann, welche Inhalte und Methoden entfallen oder entsprechend modifiziert werden müssen. Sie vermittelt außerdem, wie „Jugendliche ticken“ und ermöglichen eine neue, realistische Einschätzung, wie einzelne Inhalte methodisch besser vermittelt werden können.

Reflektierte Erfahrungen

Eine wichtige Konsequenz aus Erfahrung und Qualifikation, die dauerhaft für kommende Schuleinsätze übernommen wird, ist die Durchführung des Unterrichts in gemischten Zweierteams: Die Gründe dafür liegen in der gegenseitige Unterstützung und Entlastung und in der Vermittlung beruflicher Erfahrung aus der spezifischen Sicht von Männern und Frauen.

Eigene Qualifizierung und praktische Unterrichtserfahrung gibt den SeniorInnen zunehmend Sicherheit und erlaubt ihnen, flexibel auf die Anliegen der Jugendlichen zu reagieren. Es gelingt zunehmend, die vorbereite, meist starre Unterrichtsvorbereitung, zugunsten spontaner Fragen zwischenzeitlich aufzugeben und so die Grundlage für lebendigen, direkt an den SchülerInnen orientierten Unterricht zu bieten. Die Jugendlichen fühlen sich grundsätzlich ernst genommen und akzeptiert; daher ist es möglich, dass die SeniorInnen auch an verschiedenen Schultypen mit heterogenen Zielgruppen erfolgreich sind. Egal ob Gesamtschule, Gymnasium, Oberstufenzentrum oder Mütterkurse, sie finden immer einen Zugang zu den SchülerInnen und deren unterschiedlichen Profilen: Angefangen bei Klassen mit bis zu 80% Migrationshintergrund und teilweise hoher Arbeitslosigkeit in den Herkunftsfamilien, oder bei Auszubildenden mit geringen Chancen auf Übernahme in die derzeitigen Ausbildungsbetriebe, bis hin zu SchülerInnen, die potentiell Personal- Verantwortung tragen könnten.

Diese Erfahrung gab den SeniorInnen das Gefühl „im Unterricht bestehen zu können“, trotz fehlender pädagogischer Ausbildung und sie gewinnen zunehmend an Selbstsicherheit und sie haben darüber hinaus das Gefühl einen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können.

Schwierigkeiten zeichnen sich eher in der Kooperation mit den LehrerInnen selbst und den Schulleitungen ab. Bereits der Zugang erweist sich als Problem: Häufig bleiben Musterbriefe unbeantwortet und Kontakte können gar nicht erst hergestellt werden.Hier nutzen die SeniorInnen bereits vorhandene Schulkooperationen von ARBEIT UND LEBEN oder verschaffen sich durch persönliche Verbindungen aus dem eigenen Umfeld Zugang.

 
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Engagementfeld Schule

Materialien und methodische Beispiele

Unterrichtseinstieg

Titel: Was erwartet mich in der Arbeitswelt?

Ziel: Einstieg ins Thema, SchülerInnen legen Themenbereiche mittels eigener Erwartungen fest

Methode: Kartenabfrage, Metaplan

Dauer: 30-45 min

Beschreibung:

Die SchülerInnen erhalten drei Metaplan-Karten und haben maximal 10 Minuten Zeit, Stichworte zu folgender Frage zu notieren: Was erwartet mich in der Arbeitswelt?

  • Anschließend werden die Stichworte gesammelt und die Punkte, die inhaltlich zueinander passen werden zu einer Stichwortgruppe zusammen gepinnt
  • Für jede Stichwortgruppe wird gemeinsam ein Arbeitstitel gefunden
  • Die SchülerInnen entscheiden per Abstimmung, welchen Themenbereich sie weiter vertiefen wollen

 
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Engagementfeld Schule

Materialien und Methodische Beispiele

Unterrichtsbaustein

Titel: Was ist ein Betriebsrat und was tut er?

Ziel: SchülerInnen erkennen Funktion und Nutzen eines Betriebsrats

Methode: Kurz-Referat, Rollenspiel, Blitzlicht

Dauer: 1,5 Stunden

Beschreibung:

  • Kurzer Folienvortrag zur Funktionsweise des Betriebsrats. 5 bis 7 min
  • Die SchülerInnen bilden Kleingruppen (4 bis 5 SchülerInnen) und arbeiten zu der Frage: Mein Arbeitgeber ordnet Überstunden an, was kann ich tun? Schreiben dazu einen kurzen Dialog
  • zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn. Max. 10 min
  • Anschließend setzen die den Dialog in ein Rollenspiel um
  • Eine Gruppe präsentiert ihr Rollenspiel im Plenum
  • Vor dem Ende der Stunde gibt jede SchülerIn mittels Blitzlicht Rückmeldung zu der Frage: Welche Erkenntnis habe ich heute gewonnen?

 
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Engagementfeld Schule

Materialien und Methodische Beispiele

Unterrichtsbaustein

Titel: Brauchen wir heute noch Gewerkschaften?

Ziel: SchülerInnen erkennen Funktion und Bedeutung vonGewerkschaften

Methode: Kurz-Referat,Talkrunde, Blitzlicht

Dauer: 45 min

Beschreibung:

  • Historisches Fallbeispiel, 16-wöchiger Streik der IGM vom 24.10.1956 bis 14.02.1957 in Schleswig- Holstein zur tariflichen Durchsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, mündlicher Vortrag, 5 bis 7 min
  • Die SchülerInnen sammeln gemeinsam Pro und Kontra Argumente zur Frage: „Brauchen wir heute noch Gewerkschaften“ an der Tafel. Max. 10 min
  • Anschließend spielen sie eine Talkrunde, an der eine GewerkschaftsvertreterIn, eine ArbeitnehmerIn, eine JournalistIn und eine TalkmasterIn teilnehmen. Fragen aus dem Publikum sind erwünscht und zugelassen
  • Vor dem Ende der Stunde gibt jede SchülerIn mittels Blitzlicht Rückmeldung zu der Frage: Welche Erkenntnis habe ich heute gewonnen?

 
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Engagementfeld Schule

Checkliste: Ausbildungsvertrag

  • Für welchen Beruf ich ausgebildet werde
  • Wie die Ausbildung sachlich und zeitlich aufgebaut ist
  • Beginn und Dauer der Berufsausbildung
  • Ausbildungsmaßnahmen, die außerhalb der Ausbildungsstätte stattfinden
  • Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit
  • Dauer der Probezeit
  • Höhe der Ausbildungsvergütung
  • Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Unter welchen Umständen der Ausbildungsvertrag gekündigt werden kann
  • Welche Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen auf das Ausbildungsverhältnis anzuwenden sind
  • Die Unterschriften des Ausbildenden, des Auszubildenden und ggf. der Erziehungsberechtigten

Materialien und methodische Beispiele

Unterrichtsbaustein

Titel: Der Ausbildungsvertrag

Ziel: SchülerInnen lernen Rechte und Pflichten kennen, die mit einem Ausbildungsvertrag verbunden sind

Methode: Arbeitsgruppen, Input

Dauer: 45 min

Beschreibung:

  • Es werden drei Arbeitsgruppen gebildet, die zu folgenden Fragen arbeiten:
    1. Meine Rechte im Rahmen eines Ausbildungsvertrags
    2. Meine Pflichten im Rahmen eines Ausbildungsvertrags
    3. Was gehört in einen Ausbildungsvertrag
  • Die Ergebnisse werden auf Metaplan-Karten dokumentiert und anschließend im Plenum vorgetragen.
  • Fachmann/Fachfrau ergänzt und erläutert mögliche fehlende Punkte
  • Abschlussrunde zu der Frage: Wie kann ich meine Interessen im kollegialen Team in der Arbeitswelt einbringen und was nehme ich heute mit?

MoQua Praxisfeld 1 als PDF herunterladen

 
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