Basiswissen III
Professionalisierung im bürgerschaftlichen Engagement. Methoden - Instrumente - Arbeitsansätze
Problemaufriss
Menschen – auch ältere – kommen auf sehr unterschiedlichen Wegen und an sehr unterschiedlichen Wegstrecken ihrer Biografie zu dem Entschluss, sich bürgerschaftlich zu engagieren. Mittlerweile tun das rund 30% der bundesdeutschen Bevölkerung. Da sich gerade auch im Ehrenamt anspruchsvolle Aufgaben entwickeln, ist der Zwang zur Professionalisierung ungleich größer geworden und damit liegt die Verbindung von bürgerschaftlichem Engagement und Weiterbildung auf der Hand. Dabei ist die individuelle Ausgangslage sehr unterschiedlich:
Die Engagierten kommen aus verschiedenen Berufen, haben sehr heterogene Erfahrungen im Familien-, Verwandtschaftsund Nachbarschaftsbereich gesammelt. Manche sind langjährig engagiert, andere nehmen das Experiment „Ehrenamt" gerade erst in Ansicht, wieder andere konzentrieren sich auf eine Aufgabe in einer bestimmten Initiative, dritte sind auf sehr vielen „Engagementbaustellen“ tätig. Wir finden unter ihnen die typischen „Macher“ mit dem Drang zur Verantwortungsübernahme, aber (legitimer Weise) auch eine größere Zahl von „Mitmachern“, die sich nicht zur „Führung“ berufen fühlt. So begegnen sich im bürgerschaftlichen Engagement sehr unterschiedliche Persönlichkeiten; Menschen mit sehr verschiedenen Motiven und Interessenlagen, die allerdings zweierlei verbindet: Sie wollen etwas bewegen und sie tun das freiwillig.
Sehr vieles bringen sie bereits von sich aus und ohne alle Weiterbildung in den Prozess ein, ihre freie Zeit, das (frühere) berufliche Wissen und die dazu gehörige Erfahrung, persönliche, soziale und kommunikative Kompetenzen, tragfähige Kontakte, eigenes Geld und einen Teil der materiellen Infrastruktur für das bürgerschaftliche Engagement (das Auto oder das eigene Handy).
Und sie werden gebraucht: Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Parteien, Krankenhäuser oder Kirchen suchen händeringend nach ihnen, beschwören in vielen öffentlichen Verlautbarungen den Geist einer aktiven Bürgerschaft als den „sozialen Kitt der Gesellschaft“. Sie vertrauen den Freiwilligen zunehmend häufiger Verantwortungsbereiche an, die in Zeiten der relativen Vollbeschäftigung noch von Hauptamtlichen ausgefüllt wurden. Freiwillige werden „in Dienst genommen“, unterschreiben Vereinbarungen und werden als „humane Ressource“ eingeplant.
Dazu braucht es konkrete Professionalisierung, die durch spezielle Weiterbildung erworben werden kann. Das „Handwerkszeug“, das notwendig ist, umfasst sowohl planerische, organisatorische als auch didaktisch-methodische Fähigkeiten.Man muss zu diesem Zweck Präsentationstechniken beherrschen, gruppendynamische Prozesse reflektieren und steuern lernen und sich auf Öffentlichkeitsarbeit verstehen.
Die dafür notwendigen Weiterbildungsangebote orientieren sich in der Regel an den Ansätzen und Erfahrungen der Erwachsenenbildung, deren Instrumentarien vielfältig sind. Im Ehrenamt Engagierte sind in diesem Zweig der tertiären Bildung längst zu einer „dauerhaften“ Zielgruppe geworden. Dabei sind die Besonderheiten dieser Gruppe zu beachten. Bildungsarbeit mit ihr muss dezidiert nachfrage-, praxis- und handlungsorientiert sein.Der pädagogische Prozess ist ausgesprochen gruppen - bzw. teamorientiert zu gestalten. Die Bildungsarbeit ist hier besonders erfolgreich, wenn sie zu nachhaltiger Motivation führt und es gelingt, den Gedanken möglichst vielfältiger Vernetzung erfolgreich zu implementieren. Konkrete Veranstaltungsformate müssen stets interaktiv und partizipativ angelegt sein und der Kreativität der Teilnehmenden breiten Raum geben. Man muss schließlich wissen, dass die Erwartungshaltung bei den Teilnehmenden dieser Spezies sehr hoch ist und leicht enttäuscht werden kann. Sie wollen sich auf interessante (und nicht ermüdende Weise) austauschen, dabei etwas für ihr Engagement Sinnvolles lernen und ihre Ideen gemeinsam realisieren. Weiterbildung ist dabei nur eine notwendige Vorphase-, wichtiger ist das praktische Engagement. Einschlägige Bildungsarbeit muss deshalb das Engagementfeld gut kennen, um die Teilnehmenden dort auch angemessen abholen zu können. Sie muss sie dann gut ausgerüstet dorthin auch wieder entlassen.
Ziele
Das vorliegende Modul ist ein Querschnittsmodul. Es dient der Professionalisierung, Qualitätssicherung ebenso wie der Motivierung der Beteiligten. Es zielt noch eher unspezifisch auf unterschiedliche Instrumente, Methoden und Arbeitsansätze für die Alltagspraxis bürgerschaftlichen Engagements. Diese sollen kennen gelernt und in unterschiedlichen Situationen angewendet werden können. Das Modul knüpft dabei an den identifizierten Vorerfahrungen, dem vorhandenen Wissen und der vorfindlichen Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Hier geht es also um konkrete fachliche, methodische und die Persönlichkeit formende Weiterbildung, mit der die Beteiligten später in ihren Rollen im bürgerschaftlichen Engagement bestehen können.
Bei all dem steht nicht zuletzt der soziale Prozess, der letztlich die Qualität gelingender bzw. misslingender bürgerschaftlicher Arbeit ausmacht, im Vordergrund. Wichtig ist, dass die Teilnehmenden erkennen, dass dieser Prozess veränderbar und gezielt gestaltbar und dass Professionalisierung notwendig ist, weil die im Medium der Weiterbildung erworbenen Kompetenzen bei der gewünschtenGestaltung wirksam helfen können. Dabei sind Gruppenprozesse, Gruppendynamik und die fast natürliche Konflikthaftigkeit sozialer Beziehungen Ausgangspunkte der Moderationsarbeit.
Im Zusammenhang mit der Unterschiedlichkeit der Engagementfelder und den verschiedenen Rollen der Freiwilligen ist es ein weiteres Ziel, am Beispiel praktischer Aufgaben und kleinerer Projektideen die Komplexität des (Engagement) Prozesses darzustellen und den Sinn einer geordneten Vorbereitung, Realisierung und Nachbereitung zu verdeutlichen. Die Grundlagen, Methoden und Techniken von Projektmanagement sind ein drittes durchgängiges Übungsfeld.
Die Teilnehmenden werden überdies mit der Methode der Zukunftswerkstatt, mit kreativen Aktivierungsmethoden und mit Sinn und Bedeutung eines biografischen Ansatzes in der Bildungsarbeit bekannt gemacht. Eine weitere, mehr praktisch ausgerichtete Zielstellung des Seminarmoduls ist es, den Teilnehmern zu ermöglichen, die unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten von modernen Informations- und Kommunikationsmitteln kennen zu lernen. Einen besonderen Stellenwert haben dabei digitale Fotografie, Internet und Mailing, Beamer und Laptopnutzung.
Bei all dem müssen auch psychologische Bedingungen (Schwellenängste) beachtet werden. Nicht alle Teilnehmenden sind „bildungsgewohnt“. Zum Abbau von Ängsten und Verantwortungsstress bei den SeminarteilnehmerInnen sowie zur Vorbereitung auf künftige Aufgaben übernehmen die Beteiligten unterschiedliche Rollen in den Bereichen Moderation, Präsentation, Visualisierung und Veranstaltungsplanung. Damit soll Selbstwirksamkeit in realitätsnahen Situationen (aber noch nicht im Ernstfall) erfahren und möglichst gestärkt werden.
Inhaltliche Schwerpunkte
- Moderation, Präsentation, Visualisierung
- Veranstaltungsplanung
- Biographische Arbeitsformen
- Gruppenarbeit und Teamentwicklung
- Kreative Aktivierungs- und Arbeitsformen
- Einsatz von Informations- und Kommunikationsmitteln
- Die Zukunftswerkstatt (nach R. Jungk)
Didaktischer Kommentar
DasModul setzt didaktisch auf den praktischen Einsatz unterschiedlicher Methoden. Grundlagen sind dabei realitätsnahe Situationen und Ansätze.Die Teilnehmenden nehmen in der Seminarpraxis, die auf ihren spezifischen Nahbereich bezogen bleibt, konkrete Rollen ein, realisieren Aufgaben und bewerten den Gesamtprozess unter dem Gesichtpunkt seiner Nachhaltigkeit.
Die Anwendung unterschiedlicher Methoden und Hilfsmittel in der Seminargestaltung wird von der Seminarleitung stets transparent begründet, erreichte Effekte, nicht erreichte Ziele werden durch die Teilnehmenden selber festgestellt. Über den Nachbereitungsbedarf wird gemeinsam entschieden. Eine konsequente Visualisierung der Seminarverläufe verdeutlicht noch einmal „unbestechlich“ den Zweck und das Ziel der eingesetzten Methoden, Instrumente und Ansätze und ist offen für die spätere praktische Nutzung im Ernstfall des bürgerschaftlichen Engagements.
Reflektierte Erfahrungen
Die Seminargestaltung setzt auf einen permanenten Lern- gekoppelt an einen dauernden Übungsprozess. Das macht deutlich, Professionalisierung erfordert Stehvermögen auch im freiwilligen bürgerschaftlichen Engagement. Gleichwohl zielt das Modul auch darauf, die Phantasie und Kreativität der Beteiligten in besonderer Weise zu fördern und zu fordern. Es unterstützt außerdem die Teambildung und -entwicklung und nimmt in gewissem Sinne der Engagementrealität vorweg. Das Modul fördert so die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Rollen in diesem Prozess. Selbstwirksamkeit in einer bestimmten Rolle wird durch gezielte, aber zurückhaltend angeleitete Selbsterfahrung gewonnen. Dies macht den Freiwilligen Mut, Verantwortung auch real zu übernehmen und sich und ihr gemeinwohlorientiertes Engagement auf diese Weise voran zu bringen.
Basiswissen: Professionalisierung
Materialien und methodische Beispiele
Werbung
Titel: Mit Plakaten und Flyern Aufmerksamkeit erregen
Ziel: Mit einfachen Mitteln kreativ für die Veranstaltung werben
Methode: Kreative Wortspiele, kreative PC-Nutzung Kleingruppen, Rollenspiel
Dauer: 2 bis 3 Stunden
Beschreibung:
- Die TeilnehmerInnen erhalten Beispielmaterial, wie
sie mit Wortspielen und Schriftbildern öffentlichkeitswirksame Informationsmaterialien in
Form von Plakaten und Flyerngestalten können
- Anschließend gibt Zeit und Raum zum spielerischen Ausprobieren in Kleingruppen. Ca. 1,5 –2 Stunden
- Präsentation der Ergebnisse im Plenum, in Form einer „Vernissage“, zu der es natürlich auch Sekt und Häppchen gibt und Kunstkritiker geladen werden
Basiswissen: Professionalisierung
Checkliste:
Veranstaltungsplanung
- Was an dem Thema, dem Inhalt ist wichtig und für wen von Interesse, welche Zielgruppe/n will ich ansprechen?
- Ist das Thema, der Inhalt neu? Wurden zu dem Thema bereits andere Veranstaltungen durchgeführt, bzw. wurde es schon von den Massenmedien aufgegriffen? Wie grenzen wir unser Thema davon ab, bzw. was ist die Besonderheit unserer inhaltlichen Orientierung?
- Welche Form ist für das Veranstaltungsziel, die Zielgruppe am besten geeignet und wie kündige wir dies an. Als: Vortragsveranstaltung / Workshop / Konferenz / Podiumsdiskussion / Veranstaltungsreihe / etc. ?
- Eignen sich die ReferentInnen, neben der Sachkompetenz, für die Form, bzw. die Art der Durchführung?
- Gibt es der Sache dienliche Kooperationspartner für die Veranstaltung, z.B. in bezug auf die Zielgruppe oder das Thema, die Finanzierung etc. ?
- Wann, zu welchem Termin (Tageszeit) soll die Veranstaltung stattfinden? Z.B. kann die Veranstaltung in zeitliche Konkurrenz zu Schulferien, bedeutenden Sportereignissen etc. geraten?
- Wo, an welchem Ort soll die Veranstaltung stattfinden? Ein Ort ist mehr als eine Adresse. Die Wahl des richtigen Ortes kann die inhaltlichen und zielgruppenspezifischen Anliegen der Veranstaltung unterstützen oder auch behindern.
- Wie wird die Veranstaltung beworben? Nur selten reicht die Ansprache über ein Medium aus, sinnvoll ist eine Kombination verschiedener Ansprachemöglichkeiten. Z.B. motivieren persönliche Einladungen über versandte Flyer etc. mehr, als wenn über die Veranstaltung auch in den lokalen Medien informiert wird. Plakate und Hinweise im Internet sind öffentliche Ergänzungen.
Materialien und methodische Beispiele
Veranstaltungsplanung
Titel: Von der Idee in die Tat
Ziel: Veranstaltungsform, Zweck und Zielgruppe aufeinander abstimmen und logistische Vorbereitungen treffen
Methode: Arbeitsgruppen, Plenum
Dauer: 1,5 bis 2 Stunden
Beschreibung:
- Einteilung in vier Arbeitsgruppen. Jede Arbeitsgruppe wählt zwei Punkte der Checkliste aus und versucht so das Veranstaltungsvorhaben der Gruppe zu konkretisieren und vorzubereiten. Die Arbeitsergebnisse werden auf Flip-Chart dokumentiert. Ca 30-45 min.
- Anschließend präsentiert jede Gruppe ihre Ergebnisse im Plenum. Mögliche fehlende Punkte werden von der Gruppe ergänzt oder modifiziert
- Im nächsten Schritt werden Aufgaben verteilt und Arbeitsabsprachen getroffen: Wer macht was bis wann
Basiswissen: Professionalisierung
Der einladende Veranstaltungsraum
- Veranstaltungen brauchen eine angenehme Atmosphäre. Der Veranstalter gibt mit der Sorgfalt in der Raumherrichtung sein Verhältnis zum Publikum zu erkennen.
- Klare Formen sind bei einer Informations-und Diskussionsveranstaltung wichtig. Gleichzeitig ist es wichtig dem Auge etwas zu bieten, einen Blumenstraussoder ein Kunstobjekt, das auflockert und anregt.
- Die BesucherInnensollen eingeladen fühlen und gut orientieren können.
Bestuhlung
Angedeuteter Kreis-, Halbkreisform oder fischgrätenförmige Bestuhlung, gibt Raum zur gegenseitigen Wahrnehmung. Bei der Anzahl der Stühle eher von einer kleineren, geschätzten Besucherzahl ausgehen und bei Bedarf weitere Stühle hinzuzuholen, die nicht sichtbar parat stehen. Die Veranstaltung wirkt so anziehender und die BesucherInnen fühlen sich nicht vereinzelt oder im Raum verloren
Orientierung
Empfehlenswert sind Hinweistafeln, Blickfänge mit thematischem Bezug, kleine Orte der Information und Kommunikation um das Veranstaltungsgeschehen herum.
Das Podium
ModeratorInnen und ReferentInen agieren von Punkten aus, die nicht zu weit vom Diskussionsforum entfernt sind, etwas seitlich, um den Blick auf Overhead- oder Beamer- Präsentationen und Wandtafeln freizugeben.
Materialien und methodische Beispiele
Raumgestaltung
Titel: Der einladende Veranstaltungsraum
Ziel: über Raumgestaltung und -ästhetik mit dem Publikum kommunizieren
Methode: In-Put, Partner-Interview, Plenum
Dauer: 1 Stunde
Beschreibung:
- Die TeilnehmerInnen interviewen sich gegenseitig ca. 15 bis 20 min und beantworten sich die Fragen:
- Es gefällt mir, wenn ein Veranstaltungsraum...
- Es gefällt mir weniger, wenn ein Veranstaltungsraum...
- Die Ergebnisse von beiden Interview-Partnern werden auf Metaplan.Karten stichwortartig notiert
- Im Plenum werden die Ergebnisse aller Interview-Partner vorgetragen und anschließend zu Themengruppen zusammen gepinnt
- Mögliche fehlende Punkte oder Information werden ergänzt, siehe: Der einladende Raum
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